Keine Angst vor neuen EU-Vorschriften

Gerade unter Kleingastronomen macht sich die Befürchtung breit, mit einer neuen Welle bürokratischer Erfordernisse konfrontiert zu werden.

Artikelserie zum Thema
Speisekarten
1 Rechtsgrundlagen
2 Kennzeichnungspflichten
3 Deklarationsvorschriften
4 Gliederung Speisenangebot
5 Gliederung Getränkekarte
6 Konzeptdarstellung
7 Zielgruppe
8 Lagerhaltung
9 Kalkulation
10 Betriebsorganisation (vorb)
11 grafische Gestaltung
12 Tageskarten (vorb)
13 Sonderveranstaltungen (vorb)
Allergenkennzeichnung

Nach EU-Verordnung müssen ab 13.12.2014 die 14 hauptsächlich als mögliche Auslöser von Lebensmittelallergien bekannten Stoffe für alle nichtverpackten Lebensmittel deklariert werden, und zwar in Schriftform. Im Bereich der Gastronomie betrifft das die komplette Speisekarte. Der Gesetzgeber hält sich wie schon bei der HACCP-Verordnung fein raus und regelt erstmal gar nichts in nationalem Recht, das EU-Recht gilt aber trotzdem. Kleingastronomen müssen trotzdem nicht fürchten, jetzt ihre Speisekarten einstampfen und neue drucken zu müssen.

Kreative und dennoch sachgerechte Lösungen sind gefragt

Ganz offensichtlich will der Gesetzgeber wie schon nach der Einführung der HACCP-Richtlinie darauf warten, wie die Branche mit der neuen Verordnung umgeht. Die Lebensmittelkontrolleure werden also nicht gleich über Sie herfallen, wenn hier Fehler gemacht werden, sondern anfangs eher beratend zur Seite stehen. Aus der dann entstehenden Lösungssuppe, wie sowohl einzelne Betriebe als auch die Paketlösungen anbietenden Großanbieter oder auch hier wieder Entgelte witternden Berater mit den neuen Anforderungen umgehen, wird sich dann auch in ferner Zukunft der zuständige Bundestagsausschuss eine Lösung zusammenbrauen. Jedenfalls sind kreative und kostensparende Einzellösungen durchaus zulässig, wenn auch sie trotzdem sachgerecht sein sollten.

Etwa 2% der Bevölkerung muss hart mit Allergieproblemen kämpfen, und diese sollten auch in ihrem Betrieb Berücksichtigung finden, letztlich will auch diese neue Regelung nur genau das erreichen. Bei der Zusammenstellung der Speisekarte wurde bereits darauf hingewiesen. Für den betroffenen Personenkreis handelt es sich um evtl. lebensbedrohliche Gefährdungen, und diese sollten auch von unserer Seite entsprechend ernst genommen werden. Ein allgemeiner Hinweis „Alle in diesem Betrieb verabreichten Speisen und Getränke können sämtliche potentiell allergene Inhaltsstoffe enthalten“ wäre zwar vermutlich zulässig und ausreichend, aber keine besondere Werbung für ihren Betrieb.

Sie müssen aber nicht diese Informationen auf jeder Speisekarte bereit halten. Dadurch würde diese auch eher einem Beipackzettel von Medikamenten gleichen denn einem Lust auf Genuss machenden Werbeprospekt, was sie ja eigentlich sein sollte. Ein schriftlich vorlegbares Dokument brauchen Sie aber schon, die mündliche Information durch Mitarbeiter reicht nicht aus. Es bietet sich also ein, solche Angaben in einem speziellen Dokument zu machen, sei es eine separate Speisekarte, ein Aushang oder ein besonderes Informationsblatt. Allerdings sollten Sie auf jeder allgemeinen Speisekarte auf dieses Dokument verweisen.

Zusatzstoffe sind nicht gleich Allergene, und beide verstecken sich gerne in Vorprodukten

Die Erstellung eines solchen Dokuments muss nicht so mühsam sein, wie befürchtet. Letztlich handelt es sich um dieselben Arbeitsschritte wie bei der Deklaration der Zusatzstoffe. Allerdings müssen Sie den Unterschied beachten. Zusatzstoffe sind einem natürlichen Produkt zusätzlich beigefügte Materialien wie Konservierungsstoffe, die auch weiterhin auf jeder Speisekarte deklariert werden müssen. Allergene sind absolut natürliche Stoffe wie Eier, Milch oder Mehl, wie sie in jedem Pfannkuchen Verwendung finden, von denen aber jeder einzelne für bestimmte Menschen eine Bedrohung darstellen kann. Daher müssen sie in einer separaten Liste ausdrücklich deklariert werden.

Beim Beispiel Pfannkuchen mag das idiotisch klingen, weil jedes Kind dessen Inhaltsstoffe kennt. Wo aber Sie in Ihrer hochfein arbeitenden Küche bspw. Senf verwenden (Rouladen, Saucen etc.) kann niemand wissen. Auch in vielen zur Verfeinerung herangezogenen Fertigsaucen und Würzmitteln finden sich oft überraschende Zutaten (wie besonders gerne auch Fisch). Sie müssen also jetzt noch genauer die Zutatenlisten gerade der verwendeten Nebenprodukte beim Kochen analysieren und entsprechend auswerten. In einem Punkt macht die neue Verordnung Ihnen hier das Leben leichter: Zukünftig müssen allergene Stoffe in den Zutatenetiketten besonders hervorgehoben werden, sei es durch Schriftgröße, Farbe oder einen speziellen Verweis.

Noch ein wenig problematischer wird es bei den Lebensmitteln, die auch Ihnen unverpackt geliefert werden, die also bisher keine mitgelieferte Deklaration der Inhaltsstoffe haben. Das sind meist Backwaren, Fleisch und Gemüse. Hier sollten Sie zur eigenen Sicherheit auf entsprechende Deklarationen seitens ihrer Lieferanten bestehen und vor allem sich die unaufgeforderte, eigenständige Information bei Änderung dieser Rezepturen garantieren lassen. Die lebensmitteltechnologischen Möglichkeiten zum Aufhübschen gerade bei Brot und Fleisch sind fast unbegrenzt und weder Sie noch ihr Chefkoch wird in der Lage sein, deren Einsatz immer zu erkennen. Dagegen hilft zumindest eine dokumentierte Absicherung, damit Sie ihre Sorgfaltspflichten auch erfüllen. Beim Gemüse mag das weniger offensichtlich sein, schadet aber genauso wenig.

Zu beachten ist auch die eigene Weiterverwendung von Vor-oder Restprodukten. Es ist ja durchaus legitim, aus nicht verwendeten Kartoffelprodukten eine Suppe zu „zaubern“ oder eine Sülze aus dem nicht mehr ofenfrischen Schweinebraten. Für das jeweilige Folgeprodukt müssen aber natürlich Allergene deklariert werden sowohl aus den neuen Zutaten wie aus demAusgangsprodukt, das dann gerne als „bereits deklariert“ vergessen wird.

Welche Allergene müssen deklariert werden?

Im Internetz lassen sich bereits verschiedene, optisch/grafisch gut aufgemachte Schautabellen finden und herunterladen. Der Vollständigkeit halber seien einige Ansätze auch hier genauer ausgeführt:

Praktische Lösungsansätze zur Deklaration und Erkennen von Allergenen

Ganz offensichtlich muss zukünftig vor diesem Hintergrund ein noch deutlicheres Augenmerk auf die Rezepturen der einzelnen Gerichte gelegt werden. Das mag der Kreativität einzelner ihrer Köche zuwiderlaufen, fördert aber die gleichbleibende Produktqualität als Gegensatz zur allseits verhassten Frage „Wer kocht denn heute?“ Es fördert also den innerbetrieblichen Druck, angebotene Produkte auch immer gleich herzustellen, egal von wem sie zubereitet werden. Allerdings müssen Personale auch für diesen (nicht neuen, aber jetzt verbindlichen) Fokus zu sensibiliseren.

Für eine gleich bleibende Standardkarte mag der ganze Aufwand jetzt ja noch in einem oder zwei Tagen zu bewerkstelligen sein, und das wars dann. Probleme bekommen die Kleinbetriebe, die stolz darauf sind, eine wechselnde Tages-oder Wochenkarte anzubieten. Denn auch diese Gerichte müssen ja in einem aktuellen Allergendokument hinterlegt sein. Hier bietet sich ein Vordruck an, den die Köche für jedes (jedenfalls neu) angelegtes Element der wechselnden Karte anlegen müssen. Dort soll die Rezeptur angelegt sein (womit sie aber auch für den Kollegen der Nachtschicht nachvollziehbar wird) und in der Folge wird auch in einem Gedankengang die Zutatenliste samt ihrer möglichen Beinhaltung von Allergenen dokumentiert. Diesen Zettel können Sie je nach Gestaltung so wie er ist oder als gekürzte Doppelfassung in einen Ordner übernehmen, der ihre Allergikerfassung der Speisekarte darstellt.
Niemand zwingt Sie derzeit, diese Fassung der Speisekarte als Liste darzustellen und kein Allergiker wird es verübeln, dann viele Einzelseiten lesen zu müssen, so lange er sich der hinterlegten Informationen sicher sein kann, denn nur darum geht es. Sinnvoll könnte es sein, die allenthalben angebotenen Piktogramme zu verwenden und Farben wie rot, gelb, grün.

Die Farbe Gelb stünde in diesem Kontext für einen noch ungeklärten Zusammenhang. Jedem ist von einschlägigen Etiketten der Satz „Kann Spuren von…“ gewärtig. Der kann sogar die neueren Produktlinien der Lebensmittelindustrie betreffen, die aktuell mit dem Siegel „keine deklarationspflichtigen Allergene“ werben. Aber auch die Verwendung eines Schuss evtl. schwefelhaltigen Rotweins in der selbst gekochten Bratensauce. Den Begriff kann Spurenenthalten mit einer Mittelfarbe wie gelb (oder einem Zeichen oder einer Zahl) zu kennzeichnen, kann einen schon vor späteren Regressforderungen absichern. Andererseits sollte auch einem Allergiker noch eine gewisse Auswahlmöglichkeit offenstehen.

Daneben wird gerade in diesem Zusammenhang auch wieder entsprechende Software angeboten, die Rezepturerstellungen für Speiseangebote einerseits mit entsprechenden Deklarationsaussagen (und ggf. weiterer Warenkontrolle) andererseits verbindet. Hier gibt es Angebote für Monatsraten im unteren zweistelligen Bereich natürlich unbegrenzt aufwärts. Solche Hilfsmittel können für mittlere Betriebe eine durchaus vernünftige Lösung darstellen, auch die Hintergründe des Küchenwesens überhaupt datentechnisch zu erfassen. Der inhabergestützte Kleinbetrieb kann sich aber mit den dargestellten Möglichkeiten ohne Angst auch weiter alleine behelfen.

Wer sich besondere Lorbeeren in diesem sicher kleinen Kundensegment verdienen möchte, kann ja auch Möglichkeiten überlegen, von bestimmten Allergenen garantiert freie Gerichte in dieser Sonderkarte anzubieten, die auf besondere Bestellung nach ebensolchen Kriterien zubereitet werden, was dann aber auch garantiert sein muss.

Zusätzliche Hygieneanforderungen

Natürlich müssen die eigentlich durch entsprechende HACCP-Verfahren schon abzusichernde Hygienemaßnahmen jetzt noch deutlicher beachtet werden. Wer ein Steak klopft auf einer Arbeitsplatte, auf der vorher frischer Lachs geschnitten wurde, müsste dieses Steak ekligerweise auch als mit Fischallergenen belastet bezeichnen. Gerade in Kleinbetrieben wird die Friteuse gerne mal für alles hergenommen. Der Koch kommt vom Einkauf zurück und in seiner Kiste liegt der Sellerie gleich auf dem Fleisch.

Solche so genannten Kreuzkontaminationen sollten eigentlich schon durch vernünftiges Qualitätsmanagement nach HACCP-Richtlinien ausgeschlossen sein. Die Frage der Allergen-Deklaration, die ja eine Selbstgarantie ausdrückt, gilt in dem Zusammenhang als zusätzliches Argument, sauberes Arbeiten ernst zu nehmen. Solche Beispiele zeigen aber auch einen weiteren Grund auf, sich selbst und die eigenen Personale auf diesen Hintergrund zu sensibleren.

Gentechnisch veränderte Organismen

Was bisher nicht thematisiert wurde, hier aber der Vollständigkeit halber noch angefügt werden muss: Auch die Verwendung von Produkten, die gentechnisch veränderte Organismen enthalten, muss gesondert deklariert werden. In Europa wird sich diese Frage vorerst äußerst selten stellen.

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