Lieferservice-Gastronomen sollten ihre Angebotstexte überprüfen

Für die meisten Pizzalieferservices oder sonstige Bringdienste stellen Getränke oder verpackte Eisdesserts Zusatzdienste dar, die im Angebot der Speisekarte nicht besonders beachtet werden müssen. Der Verein VBuW bedient sich hier juristisch schwieriger Fallgruben der Preisangabeverordnung, um Kleingastronomen mit kostenpflichtigen Abmahnungen zu bedrohen. Fehlende Grundpreisangaben in den Preisverzeichnissen sollen angeblich einem angemessenen Verbraucherschutz und fairem Wettbewerb widersprechen. Möglicherweise bedroht aber nur eine familiäre Gelddruckmaschine die Branche. Trotzdem sollten Internetauftritte und andere Werbemittel aber ganz schnell angepasst werden, um teure Überraschungen zu vermeiden.

Ich werde nachfolgend zuerst den Hergang und die Grundlagen beleuchten, weil dieses Verständnis für nachfolgende Reaktionsmöglichkeiten wichtig sein kann. Wer schon betroffen sein sollte, kann auch gleich nach unten scrollen oder sich im nächsten Artikel die Hintergründe des Abmahnvereins überlegen können.

Abmahnung wegen Preisauszeichnung: Alarmmeldung aus Bremerhaven

Anfang Januar erreichte mich der Hilferuf eines verzweifelten Pizzaservice-Betreibers aus Bremerhaven. Er habe eine Abmahnung mit Unterlassungserklärung erhalten, weil er unter anderem für die ebenfalls im Lieferprogramm enthaltenen Getränke und Eispackungen neben dem Verkaufspreis nicht auch noch den Grundpreis (pro Liter) ausgezeichnet habe. Mittlerweile habe er auch bereits die Kostennote eines Rechtsanwalts und Post vom Gericht erhalten. Der Gaststättenverband, an den ich ihn als Erstes hätte verweisen wollen, könne oder wolle nicht helfen.

Nun liegen auch auch ich in meiner Telefonschublade etwa 15 Flyer verschiedener Lieferservices , in denen nirgends der Grundpreis vermerkt ist. Aus meiner Sicht gehören selbst produzierende Lieferservices auch zum gastronomischen Geschäftsfeld, das ja von solchen Verpflichtungen ausdrücklich ausgenommen ist.

Ich vermutete also eine neuerliche Abzocke gegen juristisch wenig gestählte Kleingastronomen und versprach, mir die zugesandten Unterlagen anzuschauen. Die nachfolgende Hintergrundrecherche hat mich zwar nicht davon abgebracht, hier ein gut ausgeklügeltes Geschäftsmodell zu vermuten. Leider aber könnte es vor dem Hintergrund der aktuellen Rechtssprechung Bestand haben und vielen ahnungslosen Kleingastronomen ohne Not einige Hunderter aus der Tasche ziehen.

Beanstandet werden fehlende Angaben zum Grundpreis sowie zum Flaschenpfand

Die PreisangabenVO schreibt grundsätzlich vor, dass neben dem Endpreis für ein Produkt auch dessen auf eine einheitliche Massangabe bezogener Grundpreis (pro Liter bspw.) angegeben wird, daneben auch der evtl. im Preis enthaltene Pfandwert. Berechtigter Hintergrund der Vorschrift war die damals überbordende Taktik verschiedener Hersteller, ihre Produkte im Supermarktregal in bis dato unbekannten Fantasiegebinden wie 235 Gramm oder 736 ml (anstatt halben oder Viertel-Einheiten) anzubieten und so Preissteigerungen wirksam verdecken zu können. Wer rechnet schon nach, ob 235 Gramm für 2,38 € billiger ist als 685 Gramm für 4,99. Es ging also vorwiegend darum, dem Verbraucher vor dem Supermarktregal für gleichartige Artikel eine Vergleichsmöglichkeit zu bieten.

Um genau diese Situation auch abzubilden, hat der Gesetzgeber verschiedene Ausnahmetatbestände geschaffen, darunter den für Dienstleister (=Gastronomie) oder Kleinbetriebe, die direkt bedienen (wo es diese Selbstbedienungsentscheidung so nicht gibt). Sowohl feste Gastronomie wie Lieferservices bieten Essensportionen oder aber Getränke in normierten Gebindegrößen an, die für den Verbraucher handelsüblich und keineswegs überraschend sind. Hier ist keine komplizierte Vergleichsberechnung nötig. Daher war es richtig, diese Betriebe von solchen Zusatzinformationen zu befreien. Wer meine Serie zur Gestaltung von Speisekarten kennt, der weiß, dass diese schon lebensmittelrechtlich in einem Meer von Fußnoten und Zusatzinfos versinken.

BGH-Urteil grenzt Lieferdienste aus der Gastronomie aus

Leider ist der Bundesgerichtshof nicht meiner Ansicht. In einem auch nach heutiger Internetrecherche eher wenig beachteten, letztinstanzlichem Urteil hat er einen Pizzaservice dazu verdonnert, auf seinen Preisverzeichnissen Angaben zum Grundpreis sowie zum ggf. enthaltenen Flaschenpfand zu machen. Er führt aus: „Bei den vom Antrag erfassten Lebensmitteln – Bier, Wein und Eiscreme – handelt es sich um Waren in Fertigpackungen, für die die Verpflichtung zur Angabe des Grundpreises besteht. Allein der Umstand, dass der Unternehmer anbietet, diese Waren dem Kunden nach Hause zu liefern, führt nicht dazu, dass das Angebot im Sinne von § 9 Abs. 4 Nr. 4 PAngV “im Rahmen einer Dienstleistung” erfolgt.“ Die Einordnung des Begriffs Dienstleistung hat er dabei auf den reinen Transport beschränkt. Dass aber bei Pizzalieferanten oder vergleichbaren Gastromnomen die Erstellung der Speisen im Vordergrund steht und daher die beanstandeten Produkte allenfalls Zusatzangebote darstellen, wurde als nachrangig eingeschätzt.

Interessanterweise betrifft dies übrigens nur den einzelnen Weiterverkauf solcher „Fertigprodukte“, also Bier- oder Weinflaschen, Eisbecher etc. Soweit Sie diese im Verbund vermarkten, also Pizza plus eine Flasche Bier gleich 9 Euro, fällt die Verpflichtung zur Grundpreisangabe weg. Das ist schon unstreitig in der geltenden PAngVO so verfügt.

Das mag sehr lebensfremd erscheinen, ist aber tatsächlich ganz einfach derzeit geltendes Recht. Wie unten ausgeführt, mag es durchaus Gründe geben, dagegen erneut anzugehen. Aber wer von uns Kleingastronomen hat das im Kreuz, hier wieder einen Weg durch die Instanzen zu gehen? Ohne Widerspruch haben Abmahnungen jedenfalls nach aktueller Rechtslage einen gesicherten Hintergrund. Wer den nicht erneut anfechten will oder kann, muss sich diesen Anforderungen beugen.

Lieferservices sollten ihre Preisverzeichnisse anpassen, besonders im Internet.

Kein Lieferservice kommt mehr ohne eine Internetpräsenz aus. Die ist aber naturgemäß öffentlich einsichtig und macht es Abmahnjägern leicht, Opfer zu finden. Wohlgemerkt, dabei geht es nicht nur um den aktuell dargestellten Einzelfall. Auch andere Interessensverbände oder in deren Gefolge sich geschädigt fühlende Konkurrenten könnten in Anbetracht der aktuellen Rechtslage gegen Sie vorgehen.

Wenn Sie solchem Ärger aus dem Weg gehen wollen, müssen Sie in öffentlich verbreiteten Preisverzeichnissen sofort für alle Fertigprodukte zusätzlich zum Verkaufspreis auch den Grundpreis pro Liter oder ähnlichem Bezug angeben. Meist wird das Getränke oder Eis betreffen. Dabei muss diese Bezugsgrösse, wenn Sie schon dabei sind, optisch in direktem Zusammenhang zum dargestellten Verkaufspreis des Produkts sichtbar sein (also nicht per Sternchen am Seitenende). Außerdem müssen Sie für Getränke oder Plastikverpackungen einen dafür einbehaltenen Pfandwert ausdrücklich deklarieren.Besonders im Internet sollten Sie das sofort ändern (lassen). Soweit sie mit anderen Plattformen kooperieren, müssen Sie sicherstellen, dass diese Zusatzinformation auch dort sicher vermittelt wird. Es soll dabei nicht verschwiegen werden, was eine Nachfolge-Recherche ergeben hat: Die meisten großen Betreiber solcher Plattformen halten diese Regelungen bereits ein, was natürlich für deren (nicht kostenfreien) Service spricht.

Druckerzeugnisse wie Werbeflyer etc. müssen natürlich auch angepasst werden. Diese schafft man sich aber nicht in kleinen Teilen an. Vermutlich haben Sie noch 10.000 Stück auf Lager für die nächste Zeit. Abmahnvereine reisen nicht herum und sammeln Flyer, sondern jagen im Internet. Sie sollten sich aber mindestens ein Beiblatt anlegen (und mit verteilen), auf dem Sie deutlich sichtbar diese Zusatzinformationen anbieten und so dokumentieren können, dass Sie neuerliche Informationspflichten registriert und erledigt haben.

Nicht vergessen: Es geht hier nicht um ihre Kunden, denen das alles herzlich egal ist. Es geht darum, sich vor unnötigen Geldforderungen und evtl. mißgünstiger Konkurrenz zu schützen. Die derzeitige Rechtsaufassung des BGH stellt auch nicht darauf ab, ob Sie vor Ort eine eigene, stehende Gastronomie betreiben, sondern ob Sie wie mittlerweile REWE&Co auch einfach Flaschenbier an Endkunden außerhalb des Ladenbetriebs verkaufen (betrifft also z.B. auch den Straßenverkauf).

Abwehrmöglichkeiten bei bereits erfolgter Abmahnung

Einige Rechtsanwälte sind der Ansicht, dass die oben dargestellte Rechtslage mittlerweile entfallen ist. Die Europäische Union hat hierzu nämlich die UGP-Richtlinie erlassen, die bis Juni 2013 in nationales Recht hätte umgesetzt werden müssen. Speziell die Grundlage der Beanstandungen, die PAngVO, hätte hier harmonisiert werden müssen, was aber entgegen deutlicher Hinweise nicht umgesetzt wurde. Daher würde nach Fristablauf das übergeordnete europäische Recht gelten, das solche speziellen Regelungen nicht kennt und vorschreibt. In dieser UGP-Richtlinie steht nur, dass deklariert werden muss: „der Preis einschließlich aller Steuern und Abgaben oder in den Fällen, in denen der Preis aufgrund der Beschaffenheit des Produkts vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden kann, die Art der Preisberechnung sowie gegebenenfalls alle zusätzlichen Fracht-, Liefer- oder Zustellkosten oder in den Fällen, in denen diese Kosten vernünftigerweise nicht im Voraus berechnet werden können, die Tatsache, dass solche zusätzliche Kosten anfallen können“. Vom Grundpreis pro Liter steht hier jedenfalls nichts.

Allerdings ist diese Meinung umstritten und eine höchstrichterliche Entscheidung fehlt. Der BGH scheint eher bei seiner bisherigen Haltung bleiben zu wollen, selbst wenn sie, wie oben ausgeführt, sehr juristisch und wenig lebensnah ist. Sicher wäre es erfreulich, auf diesem Weg wieder normale Verhältnisse sozusagen erzwingen zu können. Der Weg dorthin ist aber dornig, lang und vermutlich teuer. Ich würde mich für jeden Kollegen freuen, den eine dazu bereite Rechtsschutzversicherung (die eher die 200 € Abmahngebühr zahlen wird) oder der Mut bzw. finanzielle Hintergrund in die Lage versetzt, diesen Weg zu gehen.

Weitere Ausnahmen der Preisangabenverordnung

Ganz im Sinne ihres oben dargestellten Hauptzwecks kennt die PAngVO aber noch weitere Ausnahmetatbestände, die von den Ansprüchen der Abmahner befreien würden. Waren, die von „kleinen Einzelhandelsgeschäften angeboten werden, bei denen die Warenausgabe überwiegend im Wege der Bedienung erfolgt“ (§9 Abs.4 Nr.3 PAngVO), sind von diesen Vorschriften ausgenommen.

Wenn nun aber der BGH Lieferservices den Dienstleistungscharakter abspricht, können sie ja nur noch Einzelhändler sein, zumindest bezogen auf die Getränke und Eisverpackungen, die moniert werden. Der Begriff „Kleiner Einzelhändler“ wird dabei laut Literatur auf eine Verkaufs-, analog also Ladenfläche von 200 qm fokussiert. Wichtig ist zudem die Bedienung als Gegensatz zur Selbstbedienung (wo solche Grundinformation wichtig ist, siehe oben). Noch mehr bedienen wie durch Lieferung kann man aber kaum.

Nach meiner laienhaften Einschätzung würde also auf nicht kettenabhängige, kleine Lieferservices dieser Ausnahmetatbestand zutreffen. Sie könnten sich also gegen Abmahnungen auch auf dieser Grundlage zur Wehr setzen. Leider erfordert auch das juristische Unterstützung. Manchmal kann diese aber auch zum Recht verhelfen.

Besonders unerfreulich im aktuell dargestellten Fall ist die bisherige Rolle des Hotel- und Gaststättenverbands. Einmal mehr will er sich anscheinend eher an die Seite seiner zahlungskräftigen Großkunden stellen. Geboten wäre gewesen, gerade die kleinen Mitglieder erstens vor Gefahren zu warnen, zweitens aber seine Mitglieder danach wenigstens vor überzogenen und daher aus Sicht der Betroffenen völlig willkürlichen Abmahnungsforderungen zu bewahren. Beides konnte oder wollte er zumindest im Beispielfall nicht leisten. Dem geschädigten Kollegen gegenüber hat man angeblich auf sein Hilfeersuchen hin verlautbart, man sei nur für Arbeitsrecht zuständig. Er denkt jetzt über eine Beendigung seiner Selbstständigkeit nach.

Allergenkennzeichnung beachten

Wo Sie jetzt schon dabei sind, zumindest Ihren Internetauftritt zu überarbeiten: Ich habe schon darüber informiert, dass Sie auch verpflichtet sind, Ihr Angebot auf mögliche Allergene hin zu kennzeichnen. Falls Sie das wie viele andere noch nicht gemacht haben, erledigen Sie es gleich mit. Von Vereinen wie in diesem Fall könnten Sie auch deshalb abgemahnt werden (und die lesen auch mit). Dagegen hilft dann keine Juristerei.

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