Produktionsketten der Lebensmittelverarbeitung bestimmen die Speisekarte

Artikelserie zum Thema
Speisekarten
1 Rechtsgrundlagen
2 Kennzeichnungspflichten
3 Deklarationsvorschriften
4 Gliederung Speisenangebot
5 Gliederung Getränkekarte
6 Konzeptdarstellung
7 Zielgruppe
8 Lagerhaltung
Kalkulation
10 Betriebsorganisation (vorb)
11 grafische Gestaltung
12 Tageskarten (vorb)
13 Sonderveranstaltungen (vorb)
14 Allergenkennzeichnung

Gerade im Speisenbereich bestimmen auch die Produktionsketten das Angebot der Karte. Beschränkt gilt dies auch für Getränke, obwohl hier meistens Fertigprodukte verarbeitet werden und es dann um deren Darstellung geht. Vereinfacht: Wenn Sie eine selbstgemixte Ananasschorle anbieten, wären Sie bescheuert, nicht auch den Ananassaft als solches auf die Karte zu setzen. Die Grundzutaten der Cocktailkarte finden sich natürlich auch bei den Spirituosen. Soweit sich aus Ihrem Sortiment Aperitifs darstellen lassen, erstellen Sie dazu ein besonderes Angebot.

Derselbe, triviale Grundgedanke lässt sich auf die Speisen übertragen, nur dass hier der Schutz vor Warenverderb eine zusätzliche, tragende Rolle spielt. Um dem Qualitätsanspruch einer möglichst frischen Speisenzubereitung genügen zu können, sollten die eingekauften Produkte auch zügig abverkauft werden können, was nicht immer gelingt. Daher sollten Sie für ihr Sortiment immer die Möglichkeit der paralellen Zweit- und Folgeverwertung berücksichtigen. In jeder bayrisch orientierten Standardkarte werden Sie neben dem traditionellen Aufhänger „Schweinsbraten mit Knödel“ zugleich auch den kalten Braten auf der Brotzeitkarte finden sowie das Knödelgröstl oder „Bauernfrühstück“, mit etwas Glück auch die in Vergessenheit geratenen „sauren Knödel“. Das hat nichts mit Müllverwertung zu tun, sondern mit einem traditionellen Erhalt von Lebens-Mitteln, der sich auf den Speisezetteln jeder Kultur wieder findet, auch die beliebte Pizza ist nichts anderes. Nicht umsonst erfreuen sich gerade diese Gerichte oft der größten Beliebtheit, weil sie eben diese Traditionen widerspiegeln.

Neben solchen Verwertungsketten geht es aber auch um eine intelligente Variationsbreite in der Weiterverarbeitung von möglichst wenigen Grundprodukten, die dafür aber immer frisch sind. Reis als Beilage zu einem einzigen Gericht der nichtasiatischen Speisekarte zu geben, zeugt weder von Intelligenz noch von Kreativität. Das Produkt wird unter dieser Darstellung nur bei Aufruf dieses einen Artikels auch abverkauft. Es wäre also zu überlegen, zu welchen weiteren Gerichten die Beilage noch passt. Vor allem aber lässt sich Reis daneben auch als Reisfleisch, Gemüsereis, Tomatenreis, Kräuterreis, gebratenem Reis, Reisbällchen und sogar im Rahmen von Nachspeisen präsentieren. Aus dem zur Zubereitung des Schnitzels „Wiener Art“ vorgehaltenen Schnitzelfleisch lässt sich neben allen anderen Schnitzelvarianten auch ein Cordon bleu schneiden oder sämtliche Variationen von Geschnetzeltem. Bei der Anlage solcher Paralellangebote sollten Sie natürlich darauf achten, dass diese nicht erneut einen Rattenschwanz an separat zu beschaffenden Zutaten benötigen, sondern sich aus dem vorhandenen Repertoire bedienen können.

Diese Denkansätze sollen ihre Speisekarte abrunden, nicht aufblähen. Ausdrücklich nicht gemeint ist die Unsitte verschiedener, absichtlich unscharf titulierter „asiatischer“ Spezialitätenrestaurants, im Rahmen kiloschwerer Folianten dieselbe Karte einmal unter dem Begriff vietnamesisch, dann thailändisch, koreanisch, chinesisch mit Unterkategorien nochmals zu präsentieren und sich noch nicht einmal die Mühe machen, die Nummerierung zu ändern.

Preisgestaltung als Mischkalkulation

Grundfragen der Preiskalkulation müssen an anderer Stelle besprochen werden. Dennoch müssen Sie mit ihrem Sortiment natürlich auch Preise angeben. Die gastronomische Faustregel „Wareneinsatz mal drei“ mag für die Kalkulation von Endpreisen angebotener Gerichte gerade der Kleingastronomie auch heute noch als erster Ansatzpunkt taugen. Es schadet aber nicht, auch die Preisgestaltung der Konkurrenz im Auge zu behalten, weil der Kunde dies natürlich auch beobachtet.

Dabei müssen Sie sich nicht auf einen Preiswettkampf einlassen. Der Kunde hat im Allgemeinen einen guten Blick für angemessenes Preis-Leistungsverhältnis und ist bereit, für höhere Qualität und Frische, neue Ideen, besseren Service und angenehmes Ambiente auch mehr zu bezahlen als bei der Frittenbude nebenan. Er ist sich auch bewusst, dass ein Stück zartes Rinderfilet mehr Geld kostet als ein Putenschnitzel. Genauso reagiert er aber auch sensibel auf unangemessene Übertreibungen.

Alkoholfreie Getränke, Kaffee und Spirituosen werden im Vergleich zu ihren Einkaufspreisen wesentlich teurer verkauft als Bier und Wein. Die Halbe Bier ist in Deutschland noch immer gültiger Gradmesser des Preisniveaus und dass ihr Angebotspreis im Rahmen einer Mischkalkulation mit Erfrischungsgetränken künstlich gedrückt wird, wird vom Publikum erwartet und in angemessenem Rahmen hingenommen. Auswüchse in dieser Richtung haben den Gesetzgeber schließlich zum so genannten Apfelsaft-Paragrafen angeregt. Aber auch der Kunde wird ungehalten, wenn er für den Espresso zum Abschluss des Menüs 4 Euro hinlegen soll oder die Flasche Wein der oberen Mittelklasse 80 Euros kostet, nur damit das Chateaubriand auf dem Teller noch für unter 20 angeboten werden kann.

Hier ist Fingerspitzengefühl nötig und das richtige Gespür, was die eigene Kundschaft noch zu bezahlen bereit oder in der Lage ist. Sobald ein Produkt von den Beschaffungskosten her zu teuer zu werden droht, gibt es neben der Möglichkeit, diese Differenz durch Preisaufschlag bei anderen Artikeln auszugleichen auch die Alternative, es wegzulassen. Umgekehrt kann gerade im hochpreisigen Segment das sture Festhalten an einer prozentualen Aufschlagskalkulation verkaufstechnisch in die Wüste führen:

Der spendierwillige Kunde wird sich ihr Argument, der Schampus koste 150 €, weil sie gerecht alle Spirituosen mit einem Warenaufschlag von 500% taxierten, mit Interesse anhören. Er wählt dann den hochklassigen Prosecco für 50 € und weiß jetzt, dass Sie 40 € daran verdienen. Beim Begleichen der Rechnung wird er Ihnen verraten, dass er für 70 € auch den Schampus genommen hätte, aus Protzgründen sogar noch etwas draufgelegt hätte. Nur der aus seiner Sicht doppelte Preis war ihm dann doch zu übertrieben.

Natürlich legen Sie mit ihrer Preisgestaltung auch das Grundgerippe ihrer betrieblichen Gesamtkalkulation fest, sowohl was ihre Einnahmen anbelangt, wie auch einen Teil ihrer Gestehungskosten. Und diese muss in sich so stimmig sein, dass am Ende unter dem Strich ein Gewinn übrig bleibt. Im Rahmen des Themas Speisekarte bleibt aber festzuhalten, dass diese Preise nicht nur plausibel für ihre Kundschaft sein müssen, sondern dass sie auch deren Verhalten bestimmen. Ein als Zusatzangebot wahrgenommenes Produkt wie der Aperitiv wird nur dann angenommen werden, wenn der Kunde es sich zusätzlich leisten kann und will.

Die  rechtlichen Grundlagen sowie allgemeine Hilfe zur Formulierung, Gliederung und Gestaltung ihrer Speisekarte behandelt der erste Artikel dieser Serie. Grundsätzliche Erwägungen über die Abstimmung ihres Konzepts auf die Speisekarte behandelt der Folgeartikel Speisekarten als Verdeutlichung des Betriebskonzepts. Sonderfragen, wie die Gestaltung von Tages- und Aktionskarten, Buffet- und Menüplänen und deren Ausrichtung auf die erstellte Standardkarte bleiben einem späteren Artikel vorbehalten. Bis dahin empfehle ich Ihnen mein allgemeines Beratungsangebot in seiner ziemlich fairen und erschwinglichen  Grundausstattung.

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7 Responses to “Speisekarte als Instrument der Betriebssteuerung in der Gastronomie”
  1. [...] Rechtsgrundlagen, üblicher Aufbau und inhaltliche Gestaltung Speisekarte als Instrument der Betriebssteuerung in der Gastronomie » Nov 10 [...]

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