Ist der Tronc in der Gastronomie ein geeignetes Mittel zur innerbetrieblichen Qualitätssteigerung ?

Im vorherigen Artikel habe ich mich hauptsächlich mit den rechtlichen Fragen von Trinkgeldzahlungen in der Gastronomie befasst. Dabei wurde deutlich, dass Trinkgelder zweifelsfrei zunächst dem direkten Empfänger, nämlich dem Servicepersonal zustehen und davon nur in Ausnahmefällen abgewichen werden kann. Dies entspricht auch weitgehend der gastronomischen Verkehrsauffassung. Ein direkter Zugriff auf Trinkgelder, um es als Belohnungsinstrument einsetzen zu können, ist dem Betrieb also meistens verwehrt.

Es stellt sich also die Frage, warum Unternehmer in der Gastronomie von diesem einfachen Rechtsgrundsatz abweichen sollten und in ihren Betrieben Verteilungssysteme für Trinkgeldzahlungen einrichten oder zulassen. Nachdem diese der überwiegend geteilten Verkehrsauffassung widersprechen, geben sie Anlass zu eigentlich vermeidbarem Stress und Ärger unter der Belegschaft.

Tronc und Trinkgeld

Der Begriff „Tronc“ in der Überschrift ist absichtlich gewählt, weil missverständlich in diesem Zusammenhang. Der Tronc bezeichnet nämlich in der Gastronomie eine ausschließlich umsatzabhängige oder umsatzorientierte Grundentlohnung bestimmter Mitarbeiter, die nach hier tatsächlich betrieblich festzulegenden Leistungskriterien anteilig aus eben diesem Tronc (frz.: Opferstock) erfolgt. In diesem selten gewordenen Fall der Bezahlung geht es also zunächst um die betriebliche Entlohnungsform und noch nicht um das Trinkgeld, das Mitarbeiter als freiwillige Draufgabe von Seiten ihrer Gäste erhalten. Dieser Unterschied wird in der Diskussion oft verwischt, auch wenn die Kriterien, nach denen ein Tronc auf die Mitarbeiter verteilt wird, durchaus dieselben sein können wie bei einer Trinkgeldverteilung (diese wird manchmal „kleiner Tronc“ genannt).

Mitarbeiter in Spielbanken werden auch heute noch nach diesem Tronc-System bezahlt, und dort ist dies mittlerweile unbestritten dem Lohn gleichzusetzen, auch wenn er sich ganz wesentlich aus dem üblicherweise hinterlassenen Trinkgeld der Spieler zusammensetzt. Diese besondere Situation ist aber mit der Gastronomie nicht vergleichbar. Alle zu diesem Sonderthema entwickelten Rechtsgrundsätze haben nichts mit der Herkunft des dortigen Tronc aus Trinkgeldern zu tun, sondern beruhen auf der besonderen Situation der Spielbanken. Auch wenn in verschiedenen Foren fälschlicherweise auf solche Urteile verwiesen wird, für die Gastronomie gilt ganz eindeutig:

Trinkgeld ist kein Lohnersatz

Härter werdende Zeiten könnten Gastronomen zu einer einfachen Milchmädchenrechnung verführen: Meine Mitarbeiter erhalten Trinkgelder. In Zeiten verbreiteter Arbeitslosigkeit zählt aber für sie nur das Geld, das sie am Ende des Tages erwirtschaftet haben, egal von wem sie es beziehen. Also bezahle ich einfach einen Grundlohn, der so niedrig wie möglich ist, damit zusammen mit der Trinkgelderwartung unter dem Strich für den Mitarbeiter ein akzeptables Einkommen herauskommt.

Nachdem diese Überlegung keine besonders hohe Intelligenz benötigt, hat sie verbreitet zu einem immer niedrigeren Stundenlohn für Arbeit im Service geführt. Dessen Qualität ist in der Folge ebenso verbreitet gesunken wie auch das Ansehen der Branche. Ein in dieser Dumpingmentalität erfolgreicher Unternehmer mag jetzt auf die glorreiche Folgerung verfallen, durch Verteilung dieser Trinkgelder auf andere Betriebsbereiche weitere Lohnkosten einsparen zu können.

Diese nach unten gerichteten Lohnspirale findet natürlich ihre letzte Sperre in der dann noch erreichbaren Qualifikation der Mitarbeiter und damit auch dem Service, den noch zu bieten sie in der Lage sind. Sie birgt aber auch finanziell konkretere Risiken für den Betrieb. Soweit vereinbarte Grundlöhne im Vergleich zu ortsüblichen nämlich so weit abgesenkt werden, dass die Trinkgeldkomponente erkennbar zu einem notwendigen Lohnbestandteil wird, könnte der Unternehmer dafür auch haftbar gemacht werden mit allen sozialversicherungs- und steuerrechtlichen Konsequenzen.

Allerdings führen die härter werdenden Zeiten so denkende Unternehmer zumindest in der Gastronomie meist schon zur Lokalschließung, bevor solche Konsequenzen greifen könnten. Die bestimmenden Faktoren für den Erfolg eines Restaurants sind Konzept, Service und Qualität. Den ersten Punkt bestimmt der Unternehmer, die letzteren sein Personal. Gutes Personal aber erwartet angemessene Bezahlung, und wenn die schon im Grundsatz nicht stimmt, braucht man über Motivation nicht weiter zu reden.

Ist Trinkgeld ein Motivationsfaktor?

Andererseits kann grundsätzlich gut motiviertes Personal auch zu besonderen Anstrengungen in Bezug auf Service und Qualität geführt werden. Die hier diskutierte Frage stellt sich dann so: Wirkt Trinkgeld tatsächlich als eigener Motivationsfaktor und wenn ja, bei wem und warum.

Ganz sicher ist Trinkgeld zunächst als Grundmotiv bedeutsam. Ein Betrieb, in dem gute Trinkgelder zu erwirtschaften sind, ist ein attraktiver Arbeitgeber. Betriebe, in denen diese nicht oder nur in geringer Höhe zu erwarten sind, werden eher Schwierigkeiten haben, gute Personale zu finden und zu halten und müssten dieses Manko eben über höhere Grundlöhne ausgleichen. Dies hat aber noch nichts mit einer Verteilung von Trinkgeldern zu tun, sondern allein mit dem Umstand, dass Arbeitnehmer bevorzugt dort arbeiten, wo sie das höchste Entgelt für ihre Leistung erwarten. Das ist ihr Motiv.

Motivation dagegen bedeutet die Antriebsfeder, ein bestimmtes Verhalten zu fördern oder mindestens zu erhalten. Im Bereich der Gastronomie kann Trinkgeld einen Faktor darstellen, Kundenfreundlichkeit, Flexibilität im Umgang mit Kundenwünschen und Leistungsqualität zu erhalten und zu steigern. Allen Mitarbeitern im Dienstleistungsbereich ist sonnenklar, dass ein präzises Eingehen und möglichst vorauseilendes Verständnis derselben ihre Chancen auf Trinkgeld bzw. Anerkennung zumindest erhöht.

Trinkgeld: Der Service ist die Adresse

Der Service bildet dabei die Front des Betriebs im Umgang mit dem Kunden. Je besser, genauer und vorausblickender er auf die speziellen Bedürfnisse des Gastes eingehen kann und dies auch tut, desto besser das Ansehen des Unternehmens und auch das erhoffte Trinkgeld, und das unterscheidet ihn vom bloßen „Tellertaxi“. Zu oft aber werden diese grundsätzlichen Erwartungen aber gestört und zwar in beide Richtungen. Für manche als hervorragend eingeschätzte Sonderleistungen gibt es kein besonderes Trinkgeld, für eher durchschnittlichen Service dagegen auch mal ein besonders hohes. Die Höhe des Trinkgelds hängt eben auch von der speziellen Sichtweise des Gastes ab, und die kann unterschiedlich sein und nicht kalkulierbar. Sehr wohl kalkulierbar dagegen ist die Reaktion auf Fehlleistungen: Das Trinkgeld wird mager.

Fehlleistungen werden meist an anderer Stelle des Betriebs produziert, zu denen der Service lediglich die Schaltstelle bildet. Er muss diese speziellen Wünsche seiner Kunden in Anweisungen übersetzen. Ein angewärmtes Bier an der Schenke bestellen, den wegen Allergie sicher knoblauchfreien Salat in der Küche, um nur einfache Beispiele zu nennen. Dort trifft dieses Ansinnen aber auf Menschen, die grundsätzlich für Sonderwünsche nicht bezahlt werden und an einer möglichst störungsfreien und exakt strukturierten Abarbeitung ihrer Abläufe interessiert sind. Das geschieht nicht aus Borniertheit oder Desinteresse, sondern weil hier meistens hochkomplexe Abläufe unter hohem Zeitdruck möglichst gut organisiert und standardisiert abgearbeitet werden müssen.

Sicherung des Trinkgelds: Küche, Schenke und Housekeeping

Die Menschen in diesen Arbeitsbereichen müssen im Gegensatz zur diffusen Trinkgelderwartung beim Service tatsächlich dazu motiviert werden, solche „Störfälle“ nicht als unangemessene Unterbrechung ihres gut organisierten Arbeitsablaufs anzusehen, sondern als gemeinsamen Dienst am Kunden. Für die Bedienung ist der Stress mit der Bestellung abgeschlossen. Sie hat die zu bearbeitende Schwachstelle erkannt und in entsprechende Anweisungen an ihren Hintergrund übersetzt. Der Koch überlegt jetzt, wen er alles ansprechen muss, um eine tatsächlich knoblauchfreie Bereitstellung der Salatplatte zu garantieren und ob er in der Zwischenzeit die zehn Schnitzel alleine weiterbrutzeln lassen kann. Der Schenkkellner überlegt, mit welchen Hausmitteln er das Fassbier wieder auf Zimmertemperatur herunterwärmen könnte, während er die anderen 15 bestellten Getränke im Hinterkopf hat. Beiden wird die Situation in der Regel nicht neu sein, und meistens wird sie die Lösung nicht überfordern. Sie ist natürlich auch Teil ihres Jobs.

Dennoch stellt jede Sonderbestellung einen Störfall im Vergleich zur Normalsituation dar, und aus ihrer Sicht der Dinge werden die Dienstleister im Hintergrund für Normalsituationen bezahlt. Die engagierte Erfüllung besonderer Wünsche verbunden mit der Auffassung, diese auch als notwendigen Anteil am Betriebserfolg anzusehen, erfordert hier schon eine das Normalmaß übersteigende Motivation, nachdem die Bezahlung in der Regel gleich bleibt. Und hier liegt der Hase im Pfeffer, wo Motivation durch Trinkgeldverteilung eine Rolle spielen kann.

Es geht dabei gar nicht um das Honorieren einer einzelnen Sonderleistung, also dass Gast X für die Sonderbehandlung seines Schnitzels einen Fünfer für die Küchenkasse hätte springen lassen. Eine pauschale Trinkgeldbeteiligung als Anerkennung für Sonderleistungen ist eine Motivation in sich für den unsichtbaren Hintergrund, auch, um als wichtiger Teil des Gesamtgetriebes gesehen zu werden. Hier wird die Begeisterung zu engagiertem und flexiblen Arbeiten wesentlich steigen, weil der pauschale Bonus als pauschale Anerkennung für diese Bereitschaft wahrgenommen wird und im Gegensatz zum Service der konkrete Zusammenhang zum einzelnen Gast fehlt.

Trinkgeld ist jedenfalls nicht einziger Motivationsfaktor

Generell könnte diese Anerkennungsleistung natürlich genauso durch ein vom Arbeitgeber bereitgestelltes Prämien- oder Punktesystem geleistet werden, ohne das Kellnertrinkgeld anzutasten. Ganz sicher aber fördert der Rückgriff auf das dann als gemeinsam erwirtschaftet anzusehende Trinkgeld den inneren Betriebszusammenhalt und die Bereitschaft, gemeinsam zum Wohl des Gastes anzupacken. Der Arbeitgeber ist dann aber gut beraten, dafür zu sorgen, dass alle Mitarbeiter den Zugriff auf die Trinkgeldkasse nicht als Lohneinbuße empfinden, was ihre finanzielle Grunderwartung anbelangt. Eine Möglichkeit wäre beispielsweise, diese Trinkgeldkasse im Sinne einer Prämie anteilig nochmals aufzustocken, auch wenn dies lohn- und sozialversicherungsrechtlich kompliziert sein kann.

Trinkgeld und damit Gästezufriedenheit als gemeinsamen Erfolgsfaktor wahrzunehmen, der auch nur über möglichst reibungslose Zusammenarbeit funktionieren kann, diesen Zusammenhang in die Köpfe aller Mitarbeiter zu bringen kann der Sinn einer Trinkgeldaufteilung sein. In der Regel wird sie auch zu einer Anpassung des Lohnniveaus zwischen den einzelnen Betriebsbereichen führen, jedenfalls was Mitarbeiter ohne Berufsausbildung anbelangt. Dies reduziert dann wiederum die oft diskutierte Frage der Lohngerechtigkeit und damit Wichtigkeit zwischen den einzelnen Betriebsteilen.

Zufriedene und motivierte Mitarbeiter als Erfolgsfaktor der Gastronomie

Eine positive Sicht aller Mitarbeiter auf eine solche Regelung vorausgesetzt, ergibt sich ein nicht zu unterschätzender Erfolgsfaktor für die Gastronomie. Kunden haben ein feines Gespür für die Abläufe im Hintergrund ihrer Gastgeber. Sie merken, ob ein Ablauf verzahnt verläuft, ob ein Miteinander der Beteiligten vorhanden ist. Der entspannt und in jeder Lage souverän und gemeinsam arbeitende Familienbetrieb nach altem Muster entspricht dem Bild, in das sie das größte Vertrauen setzen, selbst wenn es mal hakt. Diesem Betrieb werden sie im Zweifel eher die Stange halten, dem werden sie auch die Ausrichtung der nächstens anstehenden Familienfeier anvertrauen.

Unternehmer sollten sich dabei über zwei Dinge im Klaren sein. Eine Motivation und damit Investition ins Betriebsklima ergibt sich aus Trinkgeldverteilungen nur dann, wenn die Grundbezahlung stimmt, Trinkgeld also tatsächlich als Zusatzbelohnung angesehen wird. Zweitens ergibt sich daraus auch noch nicht zwingend eine Umsatzsteigerung. Die Zeiten der 10%-Faustregel sind längst vorbei, das Trinkgeld ist eher als pauschale Leistung pro Zahlungsvorgang anzusehen. Es geht also nicht um Zusatzgeschäft, sondern um bessere Qualität. Die Auswirkung auf die Gästebindung und Betreuung einer Stammkundschaft aber können bemerkenswert sein, und die sich daraus ergebende indirekte Umsatzsteigerung über eine höhere Zahl an Zahlungsvorgängen insgesamt ist nicht zu unterschätzen.

Trinkgeld und Motivation: Weiterführung

Mit der Frage von Verteilungsmöglichkeiten einer Trinkgeldkasse beschäftigt sich der folgende Artikel . Über solche Mittel kann evtl. sogar auch eine allgemeine Umsatzsteigerung als Nebeneffekt erreicht werden, soweit die Belegschaft dem zustimmt. Diese Rechtsgrundlagen müssen aber respektiert werden.  Sollten Sie sich ein eigenes Modell der Trinkgeldverteilung für ihren Betrieb basteln wollen, empfehle ich Ihnen mein allgemeines Beratungsangebot in seiner ziemlich fairen und erschwinglichen Grundausstattung. Kurze und hier nicht beantwortete Fragen kläre ich umsonst und eine kompetente und ausgleichende Begleitung ihres Vorhabens ist nicht teuer, kann aber erheblichen Ärger ersparen.

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