Berechtigte Schutzinteressen der Unternehmer sollen so genannter Transparenz zum Opfer fallen

Die Bundesregierung hat sich in einem internen Diskussionsprozess der Argumente pro und contra Hygiene-Barometer angenommen und einen tragfähigen Kompromiss zwischen Transparenz und Schutzinteressen von Kleinunternehmern vorgelegt. Diese Erwägungen sind auch in die gesetzliche Vorstufe der geplanten Hygiene-Ampeln oder Smileys eingeflossen, nämlich die Umformulierung des §40 LFGB, der eine umfassende Veröffentlichung von Mängelrügen der Überwachungsbehörden gesetzlich verankern soll. Dies geschieht unter der Überschrift Verbesserung der Verbraucherinformation.

Im geschilderten Diskussionsverlauf war vorhersehbar, dass bereits der Anschein eines Kompromisses Heulen und Zähneklappern auslösen wird. Als Erste haben sich nun die Grünen zu Wort gemeldet. Möglicherweise hat sich die Partei ja beeindrucken lassen von Presseanwürfen, wohin sich eine Anti-AKW-Partei bei vorgeblich erreichtem Ziel nunmehr bewegen soll und möchte jetzt die Speerspitze einer neuen Transparenz darstellen. Frau Maisch, Grünen-Sprecherin im zuständigen Ausschuss, beurteilt den jetzt als Gesetzvorlage bereitgestellten Entwurf wie folgt:

Statt zeitnah Informationen für Verbraucherinnen und Verbraucher bereitzustellen, schützt das Gesetz die Geheimhaltungsinteressen von Unternehmen. Verbraucherinnen und Verbrauchen haben keine Möglichkeit, ihr Informationsrecht direkt bei den Unternehmen geltend zu machen. Auch in Zukunft sollen Kontrollen und Verstöße im Lebensmittelbereich nur dann öffentlich gemacht werden, wenn sie gravierend oder gesundheitsgefährdend sind. Verbraucherinnen und Verbraucher haben aber das Recht, auch über “leichte” Vergehen informiert zu werden und Gammelbuden erkennen zu können – zum Beispiel durch das von den Ländern beschlossene “Hygiene-Barometer“.

Mit ähnlichen Begriffen operiert auch foodwatch:

24 Prozent der kontrollierten Lebensmittelbetriebe wurde im Jahr 2009 beanstandet. Doch wo Gammelfleisch verkauft, Käse-Imitat als echter Käse deklariert oder Hygienevorschriften missachtet werden, bleibt geheim.


Gastronomie will Hygiene ohne Geheimhaltung,….

Diese “Gammel”-begriffe werden allseits gerne verwendet und können den Eindruck vermitteln, gastronomische Kleinunternehmer bildeten gemeinsam mit der ihnen vorgelagerten Lebensmittelindustrie eine mafiaähnliche Struktur, die ähnlich wie Großkonzerne etwa der Energiebranche Tag und Nacht gemeinsam an nichts anderem feilen würden als dem Ziel, ihre Kunden möglichst hinterlistig übers Ohr hauen zu können. Dabei liegen die so genannten „Geheimhaltungsinteressen“ der Unternehmen ganz woanders und schon gar nicht im Verweigern angemessener Hygiene.

Die Branche braucht ein Lebensmittelkennzeichnungsrecht, mit dem sie auch ohne Rechtsanwalt umgehen kann. Hier ist nämlich der Gastronom ebenso Verbraucher wie jeder seiner Kunden, an die er die verarbeiteten Waren weitergibt. Die Mehrzahl der so genannten „leichten Vergehen“, an denen Frau Maisch so gerne „Gammelbuden“ erkennen möchte, beruhen auf solchen Kennzeichnungsfehlern und nicht auf gravierenden Hygienemängeln. Genau sie selbst und ihre Kollegen waren und sind aber bisher nicht in der Lage, hier eine deutliche Sprache und entsprechende Regeln durchzusetzen. Anstatt zu verbieten, Analogkäse oder Klebeschinken mit dem Begriff „Käse“ oder „Schinken“ überhaupt gleichsetzen zu dürfen, wühlen sie lieber in den Niederungen der Kleingastronomie, ob dort Fußnoten richtig gesetzt sind. Den Schwerpunkt zugunsten des Verbraucherschutzes vermag sogar ein Blinder zu erkennen.

…, aber bundesweite Standards für Hygiene

Auch betreffend der zu Recht eingeforderten Hygiene existiert tatsächlich „Geheimhaltung“. Das 1999 seitens der EU-Kommission europaweit als Standard vorgeschriebene HACCP-Konzept für Lebensmittelbetriebe entbehrt bis heute jeder konkreten staatlichen Ausgestaltung. Vielmehr hat die Politik desinteressiert zugesehen, wie sich untere Überwachungsbehörden und Kleinunternehmer in mühevoller Detailarbeit über zehn Jahre hinweg ein von Ort zu Ort differenziertes Bild dieser Worthülse gebastelt haben, spricht nun aber großspurig von „Hygienestandards“, deren etwaiges Fehlen transparent gemacht werden müsste.

Eine solche Transparenz solle Frau Aigner nunmehr „proaktiv“ durchsetzen, schreibt Frau Maisch. Dabei fehlt es ja postaktiv schon an der Grundlage, solche Standards festzulegen, den beteiligten Unternehmern bekannt zu machen und betrieblich bundesweit einheitlich durchzusetzen. Bis heute existieren diese aber nur in Form von Generalklauseln und deren spezieller Ausgestaltung vor Ort als lokale Übereinkunft der Lebensmittelkontrolleure mit den jeweils beteiligten Unternehmern.

Insoweit stellt die von der Bundesregierung vorgelegte, aktuelle Gesetzesvorlage tatsächlich einen vernünftigen Kompromiss dar: Gravierende Mängel müssen veröffentlicht werden, kleinere Mängel dann, wenn es sich um Wiederholungstäter handelt. Letztere können sich dann nicht mehr mit mangelnder Aufklärung entschuldigen, für die es im Erstfall in Anbetracht der komplizierten Rechtssetzung ausreichend Begründung gibt.

Absolut keine Entschuldigung gibt es für die im zuständigen Bundestagsausschuss betroffenen Politiker. Das im Grundgedanken sicher richtige HACCP- Konzept, welches unsere Lebensmittelhygiene sicherstellen soll, gibt jedem Unternehmer auf, die kritischen Punkte in seinem Betrieb zu erkennen und darzustellen, an denen Fehler zu erkennbaren Risiken führen können und diese Schwachstellen abzusichern. Nicht nur der letzte Dioxin-Skandal hat gezeigt, dass die zur Regelung des Gesamtsystems aufgerufenen Politiker noch nicht einmal den Ansatz dieses Gedankengangs begriffen haben. Wären die Haushaltsdaten der Euro-Länder rechtzeitig an ihren kritischen Punkten überprüft worden, müssten jetzt nicht die älteren Kollegen unter uns noch um ihre private Altersvorsorge fürchten angesichts turbulenter Finanzkrisen.

Medienwirksame Transparenzforderung gefährdet Existenzen und Arbeitsplätze

Öffentlichkeitswirksam und simpel ist es dagegen, auf das Ende dieser Lebensmittelkette einzuschlagen. Das ist medienwirksam, weil jeder Kunde seinen Wirt, Bäcker und Metzger kennt und sich hier auch gerne verunsichern lässt. Dass die kritischen Punkte der Lebensmittelkette aber genau hier nicht liegen, hat jeder Skandal der letzten Jahre eindrucksvoll bewiesen. Es geht also nicht darum, „Geheimhaltungsinteressen“ der Unternehmen zu schützen. Es geht darum, geheim zu halten, dass die so auf Transparenz bedachten Politiker schlichtweg nicht in der Lage sind, an den tatsächlich kritischen Punkten der Lebensmittelkette effektiven Schutz, tatsächliche Kontrolle und angemessene Wortwahl bei der Bezeichnung gegen die Lobby der wirklich Großen durchzusetzen. Nahezu alle Skandale der letzten Jahre betreffen die meist industrielle Produktion von Lebens- oder Futtermitteln und in keinem Fall Mängel bei der Abgabe der bereits zuvor vergifteten Waren an den Endverbraucher.

Gebührenordnungen fordern Mängel heraus

Im Rahmen der Gebührenordnungen müssen angesichts knapper Kassen mittlerweile die Mehrzahl der kontrollierten Betriebe Gebühren für Kontrollen dann (und nur dann) entrichten, wenn Mängel festgestellt werden. Dem schon erwähnten Blinden ist klar, wie sich diese Maßgabe auf die Quote „kleiner Mängel“ auswirkt: Den mängelfreien Betrieb darf es aus Kostengründen gar nicht geben. Angesichts der Vielzahl gewerberechtlich zu kontrollierender Rechtsvorschriften wird es ihn auch nicht geben. Für die Gastronomie stellt sich die turnusmäßige Kontrolle auf diese Weise als weiterer, unvermeidbarer Kostenfaktor dar. Als „Gebühr“ für erzwungene Weiterbildung durch qualifizierte Kontrolleure wäre dies sogar hinnehmbar, als Grundstein zur Vernichtung der eigenen Existenz aber natürlich nicht.

Insoweit ist der Glaube von Frau Maisch und Kollegen, hier durch die Einrichtung eines neuen 100%-Siegels Markttransparenz zu schaffen, bestenfalls realitätsfernes Wunschdenken. Die vom Verbraucher in Unkenntnis der Hintergründe zu Recht erwarteten 100% sind nicht erreichbar, der nachfolgende Internetpranger wird zu weiterer Verunsicherung führen. Gerade die Kleingastronomie ist durch politische Einflussnahme wie Rauchverbote ohnehin schon ohne Not an den Rand ihrer Existenz gedrängt worden. Hier mögen aus Gesamtsicht nicht so viele Arbeitsplätze im Feuer stehen. Der kleine Wirt kann sich ohnehin nur ein, zwei Minijobs neben seiner Arbeitskraft leisten. Allerdings sind das genau die Jobs, die den noch beschäftigten Arbeitnehmern ermöglichen, sich über Wasser halten. Am Ende wird sich herausstellen, dass es ganz schön viele waren.

Es ist ziemlich überheblich, wegen „kleinerer Mängel“ einen juristisch wenig gebildeten Kiosk-Betreiber als „Gammelbude“ zu disqualifizieren, weil er es vielleicht verabsäumt hat, die von ihm angebotene Cola als koffeinhaltig zu kennzeichnen. Die Frage, wie solche Bildung an den Mann/die Frau kommen soll, ist da schon komplizierter, weil sie ja gewerberechtlich gar nicht verlangt ist. Diese Frage erledigt sich aber wiederum im Sinne des „freien“ Unternehmertums von selbst. Mit einem Pseudosiegel von 80% schließt er eben seine Existenz alsbald wieder, das ist transparente Marktbereinigung. Zur selben Zeit schüttet dann wieder ein von der Insolvenz bedrohter Futtermittelhersteller zugunsten seiner Existenz und der Arbeitsplätze ein bisschen Industriefett in den Tank, fällt ja kaum auf und schadet ja niemandem wirklich, das bisschen. Er braucht ja auch kein Siegel und selbst wenn, würde es keinem Endverbraucher auffallen.

Tags: , , , , ,
One Response to “Hygiene-Ampel, Hygiene-Barometer, Smileys oder Internetpranger: Kompromiss wird abgelehnt”
  1. knallbonbon sagt:

    komisch ist nur wie mal wieder mit aller härte gegen “den kleinen mann” vorgegangen werden soll - JA da muss man draufhauen mit AMPELN und INTERNETPRANGER - während zeitgleich so gut wie nichts relevantes gegen zB. GAMMELFLEISCH-VERSCHIEBER-FIRMEN passiert.
    können sie sich noch erinnern?
    genau diese art INTERNETPRAGER wurde ursprünglich für diese absolut verwerflichen und total gewissenlosen VERBRECHERFIRMEN gefordert - aber von dem teilweise gleichen käuflichen POLITGESOCKSE aus-gebremst und verhindert!
    eine idee: alle anschreiben, einen pool gründen in dem jeder wirt ein paar hunderter einzahlt und BEZAHLT denen doch ein paar millionen in die parteikassen und schmiert die offenen politiker-patsche-händchen ordentlich - dann ist das ganze - wie von geisterhand - gleich wieder vom tisch!!!

  2.  
Leave a Reply