Was läuft falsch bei der Rauchverbotsdiskussion in der Gastronomie?

Der Volksentscheid in Bayern ist durch, trotzdem wurden bereits wieder über 70.000 Unterschriften gegen das Gesetz gesammelt, und mit dem Ende der Freiluftsaison beginnen auch die Raucher aufzuwachen, die den Volksentscheid verschlafen haben. Auch in anderen Bundesländern geht die Diskussion pro und contra munter weiter. Gastronomen müssen sich daher nicht auf klagloses Akzeptieren der Gegebenheiten verweisen lassen.

Die öffentliche Diskussion gerade durch die Medien konzentriert sich auf zwei Punkte. Die Gesundheitsschädigung durch Rauchen, in dem Zusammenhang die zu schützende Volksgesundheit (gerne auch in wirtschaftlichem Kontext) und damit zusammenhängend der mit dem Begriff Nichtraucherschutz nur knapp bemäntelte Gedanke von Zwangsentwöhnung der Missetäter durch Entzug der Gelegenheit. Zweitens der echte Nichtraucherschutz, bei dem öffentlicher Raum rauchfrei gehalten werden soll, der mittlerweile weitgehend akzeptiert ist. Fraglich aber erscheint, ob die Gastronomie per se öffentlicher Raum ist, nur weil er öffentlich zugänglich ist.

Was bedeutet der Begriff „öffentlicher Raum“

Diese Frage ist von zentraler Bedeutung für die Diskussion über Rauchverbote in der Gastronomie. Denn in jedem geschlossenem Raum, der öffentlich ist, muss ein Nichtraucher vor Beeinträchtigung geschützt werden, so die These. Die Gastronomie wurde eher kurzerhand zum öffentlichen Raum erklärt, weil ein Nichtraucher sich ja dorthin bewegen wollen könnte, dies aber faktisch nicht tut, weil er ja ohne Rauchverbot beeinträchtigt sein könnte. Er ist also in seinem sozialen Bewegungsspielraum eingeschränkt, so die Behauptung. Zum Verständnis möchte ich anfügen, dass ich die Rauchfreiheit in Speiselokalen für einen mittlerweile anerkannten gesellschaftlichen Konsens halte, es geht mir also um die kleinen Kneipen, Nebenräume, Trinkhallen, Diskotheken und andere Nicht-Restaurants. Auch die sind plötzlich ohne ihr Zutun öffentlicher Raum geworden, weil sich ja jemand hineinverirren können wollte, und sei es nur zum Pinkeln.

Interessant ist in dem Zusammenhang die Diskussion desselben Begriffs an ganz anderer Stelle. Dieselben Medien, die die jederzeitige rauchbeschwerdefreie Zugänglichkeit auch der letzten Säuferkneipe für den aufrechten Nichtraucher als Sieg über die Barbarei feiern, empfinden bei der Betrachtung von Googles Street-View plötzlich ganz anders. Da wird die Gartenhecke eines Anwesens zur gar nicht öffentlichen Privatsache, weil sich Einbrecher Informationen besorgen könnten oder vielleicht der enthemmte Kneipenbesucher als Ziel, um seine unter öffentlichem Luftraum gerauchte Zigarette dort auszutreten. Neben aller Polemik macht die Diskussion deutlich, dass der Begriff der Öffentlichkeit abhängig von seiner Argumentationsrichtung sehr unterschiedlich definiert wird.

Auch das Internet  diskutiert diesen Begriff kontrovers. Doch auch dieser angeblich öffentlichste aller Räume ist nicht öffentlich, nur weil jeder rein kann, der will. Foren erfordern Anmeldung und werden von Administratoren moderiert, jeder Blog wie auch dieser schützt sich mit Aksimet oder anderen Mitteln gegen unerwünschte Zugriffe durch eine allzu befreite Umwelt. Die Analogie liegt auf der Hand: Genauso will ein Wirt seine Kneipe durchaus öffentlich zugänglich haben, sie aber zugleich gegen unerwünschte Besucher schützen, die nicht in seine Kneipe passen.

Gastronomie ist kein öffentlicher Raum

Nur weil jede Gastronomie über eine Toilette verfügt, welche jedermann mit entsprechendem Bedürfnis zugänglich gemacht werden sollte, wird sie nicht zum öffentlichen Klohäusl für jedermann. Ein Wirt eröffnet seine Kneipe als Unternehmer mit einem sehr bestimmten  Konzept, auf das er baut, und dessen Erfolgsrisiko er alleine verantwortet. Das kann die Stilrichtung (Restaurant, Kneipe, Diskothek) betreffen, die Preiskategorie, den Eventcharakter. Vielleicht ist es aber „nur“ im ganz Kleinen, Wohnzimmer sein zu wollen für die nahe Umgebung. Sozialplatz für das Feierabendbier, auch gekoppelt mit der Freiheit zur Feierabendzigarette. Die Freiheiten und Grenzen in seinem Raum bestimmt aber der Unternehmer, und dessen Sanktionen sind wirtschaftlicher Erfolg oder Misserfolg und nicht die zwangsweise bereitzustellende Freiheit für jeden Nichtraucher, sein Lokal betreten zu können.

Solche Freiheitseinschränkungen gibt es in der Gastronomie auch an anderer Stelle. Nicht jedermann wird Schuhbecks Palazzo oder Rachs Tafelhaus besuchen können, weil er es sich nicht leisten kann. Die Auswahlkriterien von Türstehern für Nobeldiskos bieten zwar immer wieder gute Aufmacher für Boulevardmagazine, grundsätzlich in Frage gestellt worden sind sie bisher kaum. Umgekehrt habe ich das mittlerweile geschlossene Bürgerstüberl in meiner Stadt nie betreten, weil es mir einfach zu derb zuging, und im türkischen Schachclub würde ich mich fehl am Platze fühlen.

Gastronomie ist immer schon der Marktplatz, auf dem sich erweist, ob es genügend tragfähige Kundschaft gibt für das Konzept des anbietenden Unternehmers, ganz egal, auf welchem Niveau. Dieser sehr spezielle Kundenkreis bestimmt das Wohl und Wehe des Betriebs und keine diffuse Öffentlichkeit. Umgekehrt sucht sich der Unternehmer eine spezifische Kundschaft als die seine aus, und richtet sich nicht an eine unbestimmte Öffentlichkeit. Selbst die hinterwäldlerischte Dorfkneipe richtet sich an ihre Kundschaft und nicht an den ethnologisch interessierten Besucher aus der Großstadt. Dort wird dann aber auch ohne Gesetz aus Berlin fraglos akzeptiert, wer in der Kneipe das Sagen hat, wer in der Kirche und wer in der Gemeinde.

Gastronomie bestimmt sich selbst

Wie die moderne Inkarnation der Öffentlichkeit, das Internet, ist also auch die Gastronomie selbstverständlich öffentlich zugänglich. Sie bildet aber eine Vielzahl kleiner Nischen, und genau diese Vielfalt macht ihren Reiz aus und das wird von ihr erwartet. Genau deshalb ist sie aber eben kein öffentlicher Raum wie eine Behörde, ein öffentliches Verkehrsmittel oder das angesprochene Klohäusl. Es muss auch in Zukunft ihr selbst überlassen bleiben, wem sie im Einzelfall Zugang gewährt. Sie wird diesen Zugang schon aus Selbsterhaltung entsprechend der sozialen Erwartung ausrichten.

Ein Rauchverbot in der Gastronomie entspricht also etwa dem Versuch, Facebook zu verpflichten, den Gebrauch des Wortes „Sex“ (kann nach Belieben ersetzt werden) zu unterbinden, weil damit die Gefühle anderer oder minderjähriger  Benutzer verletzt werden könnten. Wer erreichen will, das Rauchen als Verhaltensweise aus welchen Gründen auch immer zu ächten, soll dies mit offenem Visier auf der gesellschaftlichen Ebene tun. Da bläst der Wind anders als bei Tante Emma, die sich mit der Versorgung ihrer Malocher gerade so über Wasser hält, was auch ein Konzept bedeutet.

Die Gastronomie entwickelt Angebote von Wirten an eine spezielle Kundschaft, auf die sie sich freiwillig und logisch auch begrenzt . Diese können angenommen werden oder nicht. Wer sich als Nichtraucher davon ausgegrenzt fühlt, hat mein Mitgefühl, obwohl es mittlerweile genügend Plätze für seinen rauchfreien Aufenthalt gibt, auch gastronomisch. Der Artikel

„Jedem Menschen muss zu jedem sozialen Kreis Zugang gewährt werden, dem er angehören will“

 fehlt aber noch im Grundgesetz, aus gutem Grund. Ich würde auch sofort zur Deutschen Bank rennen und mir Zugang verschaffen.

Gastronomie ist ein Raum, dessen Zugang zwar öffentlich ist, in den aber nicht jeder gleichermaßen passt. Das ist in Ordnung und Ausdruck gesellschaftlicher Vielfalt. Ein Rauchverbot wie auch jeder andere Versuch, in die Gestaltungsfreiheit der Gastronomie einzugreifen, bezeichnet nur den hilflosen Versuch, soziale Fragestellungen einer Branche aufzubürden, die sich nicht wehren kann.

Zum selben Thema hier im Blog:

Gibt es tatsächlich Sieger und Verlierer beim Volksbegehren in Bayern?

Sucht, soziale Kontrolle und die Rolle der Gastronomie dabei

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3 Responses to “Gastronomie und öffentlicher Raum – eine Verwechslung”
  1. Ich werde den RSS abonnieren und hoffe, dass noch weitere {interessante|gute|lesenwerte|informative} Posts {folgen|erscheinen|ver�ffentlicht werde|publiziert werden|gepostet werden}. Weiterso gef�llt mir :). Ich habe ein Lesenzeichen gesetzt und hoffe auf weitere [hilfreiche|interessante|gute} Artikel wie diesen hier. {Gutes |cooles|vielversprechendes|super|tolles} Projekt, was du auf die Beine gestellt hast. {Ausgezeichneter|Erstklassiger|Super|wunderbarer} Job!

  2. Billy Berger sagt:

    Ein toller Artikel. Es gibt viel Sinn und Unsinn in diesem Bereich. Auch ich habe mir Gedanken über dieses Thema gemacht, allerdings mit der Grundlage NRW. Mehr dazu unter http://modern-gastro-coach.de/das-kneipensterben-geht-weiter/

  3. Känig der Eichkatzl sagt:

    Hobbyjurist, hast´n nassen Hut auf - geh zum Arzt!

    wünsch Dir gute Besserung!

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